Kurzgeschichten

Seifenblasenglück

Heute ist ein Seifenblasentag. Du wirst dich jetzt bestimmt fragen, was das sein soll. Nun, ich werde versuchen dir das zu erklären, aber vermutlich werde ich scheitern. Die meisten Menschen haben nicht genug Fantasie, um zu verstehen, was ich dir jetzt erklären möchte. Lyra dachte erst auch, mir ginge es ebenso. Zuerst hielt ich sie für verrückt, wenn sie mir von tanzenden Bäumen, Feenstaub und eben den Seifenblasentagen erzählte, aber nach und nach merkte ich, dass sie nicht verrückt war.

Sie mochte vielleicht anders sein, als jeder Mensch, den ich bisher getroffen hatte, aber ganz sicher nicht verrückt. Du wirst jetzt vielleicht denken: "Wie bitte? Ich soll an Feen glauben?" und ich müsste eigentlich "Ja" antworten, auch wenn du mich dann vielleicht für verrückt halten würdest. Aber ich sagte schon, dass ich anfangs auch Schwierigkeiten hatte,  Lyra zu glauben.

Aber dann ist etwas passiert, dass mich daran glauben lies, dass sie nicht verrückt war. Ich habe eine Fee gesehen. Jetzt schau doch nicht so! Warum lässt du dich nicht einfach erst einmal darauf ein? Es gibt Feen, und vielleicht sogar Elfen und Vampire. Glaub einfach erst mal daran ohne es weiter zu hinterfragen. Aber ich sehe, da liegt immer noch Misstrauen in deinem Blick. Aber du musst mir zuhören, mich meine Geschichte erzählen lassen, ohne irgendwelche Vorurteile zu haben, dann kannst du vielleicht richtiges Glück und richtige Wunder finden, und nicht nur Seifenblasenglück, wie Lyra sagen würde.

Komm mit, und ich zeig dir eine ganze neue Welt, voller Wunder. Du musst daran glauben, dass sie existieren können. Ich glaube, ich habe dich überzeugt. Nun, wenn du immer noch wissen willst, wovon ich rede, dann komm mit mir. Sei nicht so scheu, komm ruhig einen Schritt näher.

Schau nicht so, ich weiß, dass wir in einem leeren Raum stehen. Aber du hast mir versprochen keine Vorurteile zu haben. Glaub mir, du wirst nicht einfach so in diesem Raum stehen und auf einmal eine neue Welt sehen können. Eigentlich ist es sowieso egal, in welchem Raum wir stehen, denn alles, was du brauchst, ist deine Fantasie.

Und wenn du Glück hast, dann gehört du vielleicht zu den Menschen, die in ihrem Kopf eine ganze, neue Welt erschaffen können, parallel zu der Welt, die wir alle sehen können. Und glaub mir, diese Welt gibt es wirklich. Sie ist das Gegenstück zu unserer Welt so, wie alles Andere auch ein Gegenstück hat. Gut und Böse, Schwarz und Weiß - ich denke, du verstehst mich? Gut. Nur wenige Menschen können diese Welt sehen, aber wenn du es kannst, verändert es dein Leben für immer. Ich wünsche mir wirklich das du es auch sehen kannst.

Ich würde dir zu gerne die Feen zeigen, die immer an unserem Springbrunnen spielen. Ich sehe, du hast noch Zweifel. Die brauchst du nicht zu haben. Ich werde dir jetzt von dem Tag erzählen, an dem ich die Feen zum ersten Mal gesehen habe, okay? Und vielleicht wirst du sie dann auch sehen können.

Es war ein Seifenblasentag. Lyra sagte das immer dann, wenn draußen die Sonne schien und man kurz das Gefühl hatte glücklich sein. Sie nannte das immer Seifenblasenglück, denn wenn auch nur jemand ein böses Wort zu dir sagte, an einem solchen Tag, dann zerplatzte dein Glück wie eine Seifenblase. Lyra meinte oft, dass Glück eines der zerbrechlichsten Dinge dieser Welt ist. Vielleicht hatte sie damit recht.

Doch als ich an diesem Tag das Haus verlies, sah ich sie zum ersten Mal. Auf dem Platz vor unserem Haus saß ein Kind auf dem Rand des Springbrunnens und unterhielt sich mit jemandem. Niemand anderes war in der Nähe. Die Einzigen, die ich sah, waren die Feen, von denen Lyra so oft sprach. Zuerst dachte ich, ich wäre verrückt geworden und Lyra würde auf mich abfärben.

Doch die Feen waren real, ich konnte mit ihnen reden, ich konnte sie anfassen! Und in diesem Moment begann ich mich zu fragen ob Lyra nicht doch recht hatte und es durchaus weit mehr Dinge in dieser Welt gab, als wir jemals würden begreifen können. Von diesem Tag an begann ich alles zu hinterfragen. Und wenn du ebenso wie ich bereit bist, dich nur für einen Tag nur von deiner Fantasie leiten zu lassen, dann wirst du vielleicht ebenfalls hören können wie die Bäume flüstern.

Du schaust immer noch skeptisch, aber viel mehr kann ich nicht tun, um dich zu überzeugen. Warum probierst du es nicht einfach selbst aus? Schließ die Augen, stell dir den kleinen Platz vor dem Haus vor, den Springbrunnen, auf dem das Kind sitzt.  Spürst du schon die Magie? Alles, was du jetzt noch tun musst, ist, an Feenstaub zu glauben. Spürst du das? Jetzt, in diesem Moment rieselt er auf dich hinunter.

Ich gratuliere dir. Du hast nun das Tor zu unserer Parallelwelt durchschritten. Wenn du jetzt nach draußen gehst, wirst du die Feen sehen und den Bäumen lauschen können. Es wird dir vielleicht erst etwas Angst machen, wenn so viele neue Eindrücke auf dich einströmen. Ich hatte damals Angst, ich könnte den Verstand verlieren. Doch mach dir keine Sorgen, das legt sich wieder. Schon bald wirst du lernen, dass du die Bäume nicht nur verstehen kannst, sondern auch mit ihnen reden. Und wenn du dir ganz viel Mühe gibst, könnte es sein, dass du sie schon bald zu deinen Freunden zählen kannst.

Hör nicht auf jene, die sagen, dass du verrückt bist. Du sollest sie bemitleiden, weil sie nicht so viel Fantasie haben wie du und diese wundervolle Welt niemals betreten können werden. Aber du und ich, wir können es. Wir können all diese wundervollen Dinge sehen und deshalb können wir richtiges Glück empfinden und nicht nur Seifenblasenglück. Denn in unserer Welt zerplatzt Glück nicht einfach so wie eine Seifenblase. Es bleibt immer da.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Irgendwo nach Toulouse

Heute war wirklich der „beste“ Tag in ihrem Leben.
Eigentlich war ja nichts geschehen. Wenn nichts hieß, dass man fast das Jahr (und das wieder nur wegen Französisch, verdammt!) nicht bestand, die Eltern einen nicht mehr verstanden und sowie alles schief lief.

Ihre Mutter war ein wirklich herzensguter Mensch, den man einfach gerne haben musste. Und Mia hatte ihre Mutter eigentlich auch wirklich gerne. Ihr einziges Problem war, dass sie glaubte, immer zu wissen, was das Beste für sie war und praktisch ihr ganzes Leben für sie vorher geplant hatte.

Irgendwann nervte dies Mia so, dass sie begann, nicht mehr auf ihre Mutter zu hören. Seit dem hatte sich ihr Verhältnis leider nur noch verschlechtert, aber Mia sah darin die einzige Möglichkeit ihr Leben so zu leben, wie sie es wollte.
Sie war kein Bisschen mehr so, wie ihre Eltern sie gern gehabt hätten und sie hatte nur noch das Gefühl, dass sie nicht mehr zu dieser Familie gehörte. Und das dies nicht mehr ihr Leben war, kein Leben mehr das zu ihr passte.

Und irgendwie war dies der Grund, warum sie heute in diesem Zug saß. Sie wusste noch nicht einmal genau, wohin dieser fuhr, was wohl wahnsinnig war, wenn man beachtete, wie viel sie die Fahrkarte gekostet hatte. Der Zug fuhr nach Frankreich, irgendwo nach Toulouse. Ihre Eltern wären sicher nicht stolz auf sie – aber wann waren sie dies schon? Vermutlich war es dumm, in diesem Zug zu sitzen, sie mochte Frankreich noch nicht einmal. Sie konnte auch kein Französisch. Je m'appelle Mia.  Wie weit sie damit wohl kommen würde?

Fast wünschte sie sich wieder auf dem Bahnhof in Berlin zu stehen und sich dagegen zu entscheiden in diesen Zug zu steigen. Aber letztendlich hätte sich ihr Leben damit nicht geändert. Und sie wusste, dass sie diese Veränderung ganz dringend brauchte. Alles, was sie wollte, war, sich für einen Moment lebendig, schwerelos zu fühlen. Also egal, wohin dieser Zug fuhr, Hauptsache weit weg von ihren Eltern und weit weg von ihrem alten Leben.

Manchmal hatte sie das Gefühl, man bekam im Leben eine Rolle zugeschrieben, und wenn man einmal gegen diese handelte, weil man sie einfach satthatte, konnte das niemand verstehen. Sie war nicht mehr die, die sie noch vor zwei Monaten gewesen war und es war nicht mehr ihr Leben. Es passte einfach nicht mehr zu ihr. Der Zug fuhr weiter und immer weiter, während die Landschaft an ihr vorbeizog. Sie wusste noch immer nicht, wo sie war und wo sie landen würde. Irgendwo in Toulouse.  Aber besser als dort, wo sie herkam, würde es sein. Das war alles, was sie wusste.

Sie sah sich in ihrem Abteil um, in welchem sie ganz allein saß. Es war Platz für vier Leute und ihr Gepäck. Irgendwie wirkte dieser Raum nur mit ihr und ihrer kleinen Reisetasche, die sie in nur in einer halben Stunde gepackt hatte, seltsam groß, einsam und leer. Sie hatte auch nicht gerade viel Essen dabei. Was hieß Nudeln mit Tomatensoße auf Französisch? Sie wusste es nicht. Daraufhin zog sie ein kleines Französischwörterbuch aus ihrer Tasche. Wenigstens daran hatte sie gedacht. Sie war schon immer schlecht in dieser Sprache gewesen. Das lag vermutlich auch daran, dass sie nie dafür lernte. Sie mochte Frankreich nicht, doch der Zug rollte weiter, unaufhaltsam, irgendwo nach Toulouse.

Kurz daraufhin betrat eine junge Mutter das Abteil, mit ihrer Tochter an der Hand, diese war höchstens vier. „Hallo“, murmelte Mia, um dann wieder aus dem Fenster zu starren. Sie fragte sich, ob ihre Mutter sich Sorgen machte. Sie hatte gesagt, dass sie gehen würde, weil sie es hier nicht mehr länger aushielte und ihre Mutter lies sie ziehen

Die junge Mutter wandte sich zu ihr um sich mit ihr zu unterhalten. “Du willst also auch nach Frankreich?“  Mia zögerte, da sie wusste, dass Erwachsene meist  nicht allzu viel davon hielten, wenn man keine klaren Vorstellungen von seinem Reiseziel hatte. „Ich weiß noch nicht. Nach Toulouse, vielleicht. Aber ich kann nicht grade sehr gut Französisch.“

Ja, mit den drei Vokabeln, die sie beherrschte, würde sie sicher sehr weit kommen. Die Mutter ihr gegenüber lächelte. „Von Zuhause abgehauen?“, fragte sie. „Das kenn ich. Dies tat ich damals auch, ich ging nach Spanien, obwohl ich kaum drei Sätze auf Spanisch sagen konnte. Ich bereue es nicht, aber ich würde heute dennoch nicht noch einmal tun. Denn in einem anderen Land zu leben, ohne überhaupt zu wissen, was du willst, ist nicht einfach.“

Mia sah wieder nachdenklich aus dem Fenster, als der Zug weiter fuhr, immer weiter.
Irgendwo nach Toulouse.
“Ich will dich nicht aufhalten, auch wenn ich vermute, dass du nach kurzer Zeit zurückkommen wirst, weil du keinen Job findest, du die Sprache nicht verstehst, und alles auf einmal so viel schwieriger ist als vorher. Es mag einem nicht immer so vorkommen, aber auch Eltern haben teilweise ein schwieriges Leben. Sie müssen sich mit ganz anderen Dingen beschäftigen, als denen, die du bisher kennst.“

Mia wendete den Kopf ab und starrte weiterhin konzentriert aus dem Fenster. Sie wollte  all dies  nicht hören. Möglichst unauffällig dreht sie ihre Musik noch etwas lauter.
Natürlich war ihr klar, dass ihr Leben so nicht einfacher werden würde, aber sie hätte es einfach keine fünf Minuten mehr in der Wohnung ihrer Eltern ausgehalten. Sie hatte so schnell, wie sie konnte, die wenigen Sachen, die ihr wirklich etwas bedeuteten zusammengepackt und war aus der Tür gestürmt. Ihre Mutter folgte ihr bis zur Tür und fragte sie, wohin sie wollte. „Weg. Einfach nur weg.“ entgegnete sie.

Eigentlich dachte sie erst nur darüber nach für ein paar Tage bei einer Freundin zu übernachten, entschied sich dann jedoch anders, als sie auf dem eiskalten Bahnhof stand. Sie brauchte etwas Freiraum, einen neuen Anfang und deshalb wollte sie weg. Deshalb war sie letztendlich in diesen Zug eingestiegen.

Die junge Mutter betrachte sie immer noch und langsam begann dies Mia zu nerven. „Ich komme schon klar.“, sagte sie zu ihr und wusste in eben jenem Augenblick bereits, dass dies eine Lüge war. Diese entgegnete nichts, so lehnte sie sich für den Rest der Fahrt gegen das Fenster und schloss die Augen.

Der Zug rollte weiter, als sie auf ihr Handy blickte. Fast hoffte sie, es wäre ihre Mutter, die sich doch noch bei ihr melden wollte, weil sie sich um sie sorgte, aber es war nur eine Freundin. Nun ja, ihre beste Freundin. Sie zögerte, bevor sie den Anruf wegdrückte. Vermutlich wusste sie bereits von ihrer Mutter, was passiert war. Aber sie wollte jetzt von niemandem hören, dass sie zurückkommen sollte.

Um sich abzulenken, zog Mia ihr Vokabelheft für Latein  heraus und versuchte diese zu lernen. Im nächsten Augenblick fragte sie sich jedoch gleich, wozu sie dies tat. Sie würde hier wohl kaum noch eine Schule besuchen, also hatte es keinen Sinn die Vokabeln zu lernen. Genervt packte sie diese wieder weg und griff nach einem englischen Buch. Sie hasste sich dafür, dass sie ausgerechnet nach Frankreich abhauen musste. Ein englischsprachiges Land wäre definitiv einfacher gewesen.

Sie hörte die Ansage im Zug, die verkündete, dass sie in 20 Minuten am Ziel sein würden. Sie hätte nicht gedacht, dass bereits so viel Zeit und Weg hinter ihr lagen. Es fühlte sich irgendwie so an als wäre sie noch immer in Deutschland.

Langsam begann sie ihre Sachen zusammen zu packen. Sie hatte sich noch gar nicht überlegt, was sie als Erstes tun wollte, wenn sie schließlich angekommen wäre. Vermutlich wäre es das Beste sich erst einmal einen Schlafplatz zu suchen. Wie das schon klang. Noch nie hatte sie sich bisher Sorgen darüber machen müssen, wo sie schlafen würde. Und jetzt war sie selbst schuld daran. Trotz allem fühlte sie sich freier als jemals zuvor in ihrem Leben.

Der Zug wurde immer langsamer. Als die Ansage ertönte, die, die Fahrgäste dazu aufforderte auszusteigen zog sie langsam ihren Koffer hoch und hinter sich her. Lächelnd stieg sie aus und sah zum ersten Mal Frankreich. Ihr neues Zuhause. Ihr neues Leben. Irgendwo in Toulouse.
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Stricke halten mich

Es roch nach Kaffee an jenem Morgen.
Ich kann nicht genau sagen, warum mir gerade der Geruch von Kaffee so stark in Erinnerung geblieben ist, doch jedes Mal, wenn ich an diesen Tag zurückdenke, ist das Erste, das mir in den Sinn kommt dieser starke Geruch nach Kaffee.

Es war der Tag, an dem du mir zum ersten Mal körperliche Schmerzen zufügtest. Die anderen Schmerzen hattest du mir bereits oft zugefügt, vielleicht sogar schon zu oft. Vielleicht ist dies der Grund, aus dem ich schon nahezu aufgegeben habe. Weil du mich schon gebrochen hast? Meinen Ehrgeiz, mein Leben, mich – all das hast du zerstört.

Es war eigentlich ein schöner Tag. Einer dieser Tag, an dem man aufwachte, lächelte, weil man wusste, dass man freihatte und der heutige Tag nur einem Selbst gehören würde. Ein Tag, an dem die Vögel singen, der Himmel blau ist und die Sonne seit langer Zeit endlich wieder einmal scheint.

Doch dann geschah etwas, dass ich dir nie verzeihen werde. Wir haben uns gestritten, wegen einer Kleinigkeit – Warum streiten wir eigentlich andauernd?- und du bist ausgerastet. Ich habe dich wirklich noch nie so wütend erlebt.

Doch dann hast du mich geschubst, ich flog gegen die Wand. Das Nächste was ich spürte war ein unglaublich stechender Schmerz in meinem Knöchel. Du kamst auf mich zu, hast tausendmal versucht dich bei mir zu entschuldigen. Doch ich hörte dir nicht zu, wollte es nicht hören, noch zu groß war die Fassungslosigkeit über das, was du getan hattest.

Am selben Tag war ich noch bei einem Arzt gewesen. Gebrochen war glücklicherweise nichts. Doch das änderte nichts daran, dass es immer noch schmerzte. Ehrlich, ich weiß gar nicht, was mehr schmerzt, dass was du meiner Seele damit antust oder mein Knöchel. Gerade du solltest wissen, dass du das niemals hättest tun dürfen. Denk doch nur einmal an meinen Vater.. und du wüsstest, wovon ich spreche. Doch offenbar scheint es dir egal zu sein.

Ich weiß nicht mehr, wann wir zusammengezogen sind, war es vor einem Jahr? Vielleicht schon vor zwei Jahren? Ich weiß es nicht. Aber dies ist auch nicht wichtig, wichtig ist, dass ich mich an diesen Tag so gut erinnere, als wäre es gestern gewesen. Glücklich war ich gewesen einen Freund zu haben, froh einen Mitbewohner gefunden zu haben, sodass ich meine Miete nicht mehr allein zahlen musste. Doch von diesem Tag an änderte sich alles.

Es gibt bei dir diese und jene Momente, diese, in denen du so liebevoll mir gegenüber bist, als würde es für dich nie einen kostbareren Menschen geben als mich, und dann gibt es jene, in denen du mich so schlecht behandelst, dass ich kaum glauben kann, dass dies wirklich derselbe Mensch sein kann. Aber genau das, ist der Grund, warum ich mich nicht von dir trennen kann. Denn jedes Mal wenn ich daran denke dies zu tun, weiß ich bereits, dass ich es nicht kann. Ich brauche dich, auf eine seltsame, vielleicht schon kranke Art.

Meine Familie, meine Freunde, sie alle können es nicht verstehen. Sie sagen, sie würden mir helfen, wenn es denn nötig wäre. Wenn ich möchte, dass du gehst. Aber ich liebe dich, auf eine Art, die mir fast Angst bereitet. Niemand außer mir scheint dich wirklich zu mögen.

Jedes Mal, wenn ich meine Familie anrufe, weine ich noch ein bisschen mehr, als beim letzten Mal. Ich möchte vermutlich gar nicht wissen, wie ich zurzeit aussehe – ich hoffe, nicht so, wie ich mich fühle. Denn wenn meine Augen so leer, so resigniert schauen, wie ich mich fühle, dann kann ich beinahe verstehen, warum mir fast alle Passanten, denen ich in der Stadt begegne, solch besorgte Blicke zuwerfen.

Ich wünschte, ich könnte mich von dir lösen, doch es geht nicht. Wir brauchen einander mehr als alles andere, doch wir machen uns gegenseitig kaputt damit. Trotzdem kann ich nicht gehen. Denn Stricke halten mich.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Gedankenreise - Kennst du das?

 Sophie sah in den Spiegel und wollte kotzen. Ihre Nase war zu groß, ihre Haare strohig und ihr Bauch eindeutig zu fett. Warum schaffte sie es eigentlich nie „Nein“ zum Kuchen zu sagen? Warum hatte sie so wenig Disziplin?
Warum waren eigentlich alle so viel hübscher als sie? Warum musste sie nur so hässlich sein?

Kennst du das auch? Findest du dich auch manchmal hässlich? Hast du manchmal das Gefühl nicht gut genug zu sein? Klar, du weißt, woran das liegt. Tagtäglich siehst du bearbeitete Bilder im Fernsehen, in Zeitschriften, du hörst Musik, die mit irgendwelchen Programmen bearbeitet wurde.

Die Medien zeigen dir jeden Tag Bilder perfekter Menschen, die Vorbilder für dich sein sollen. Unsere ganze Gesellschaft ist ein einziger Fake. Wir alle verstecken unsere Gefühle, wir lachen, während wir im Innern zerbrechen.

Das ist doch der wahre Grund,  warum du heute auf deinen Kuchen verzichtest, hab ich recht? Nur weil die Gesellschaft von dir erwartet einem Bild zu entsprechen, das gar nicht existiert. Doch das ist unmöglich, soviel ist klar. Doch wie können wir das ändern? Sag mir bitte nicht, es wären immer nur die Anderen schuld.

Machen wir eine kleine Gedankenreise. Schließ erst einmal die Augen, atme tief ein und denke nach. Was ist für dich schön? Was bedeutet Schönheit für dich?

Stell dir vor, wir gehen zusammen durch die Straßen einer großen Stadt. Du sollst mir mindestens eine Sache nennen, die du an den anderen Personen schön findest.

Ich wette, du würdest an jedem einzelnen Menschen etwas Schönes finden. Denn wir sind alle schön. Keiner ist perfekt, heißt es immer – aber heißt das denn nicht, dass jeder auf seine eigene Art perfekt und wunderschön ist?
Warum siehst du also nicht, wie toll du bist? Du bist einzigartig und das macht dich wunderschön. Weißt du, dass du sobald du das verinnerlicht hast soviel glücklicher sein wirst?

Warum also machen wir weiter damit uns selbst zu zerstören? Du bist doch schön. Wir alle sind die Gesellschaft. Aber magst du aus all diesem Wahnsinn nicht auch aussteigen? Dann tue es! Wenn sich etwas ändern soll, muss immer jeder bei sich selbst anfangen.

Du hast diesen ganzen „Diätkram“ doch gar nicht nötig, oder? Machen wir doch die Welt ein kleines Stück besser. Ich weiß, dass du es kannst. Zusammen können wir die Welt verändern. Du und ich.

Sophie sieht in den Spiegel und lächelt. Sie ist eine erwachsene Frau, hat einen Beruf, in dem sie sich wohlfühlt und einen Mann an ihrer Seite, den sie über alles liebt. Klar, sie hat immer noch Probleme, aber die hat jeder. Sie hat gelernt sich selbst zu lieben und glücklich zu sein. Sie liebt sich selbst und sie liebt ihr Leben. Kann es denn etwas Schöneres geben?


-------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Der mutige Fritz

Es war einmal eine kleine süße Fledermaus, die hieß Fritz. Fritz war eine sehr beliebte Fledermaus und hatte fast nie vor etwas Angst. Aber die Fledermäuse fürchteten sich alle vor den Spinnen, so auch Fritz.

Als Fritz jedoch gerade einen Spazierflug machte, da er sich auf der Party der Fledermäuse arg langweilte (die von den Menschen waren eindeutig lustiger!), hörte er jemanden wimmern.

Schnell flog er dorthin, wo das Geräusch herkam. Er sah eine kleine Spinne, die bitterlich weinte. Fritz hatte zwar Angst, aber die Spinne sah so unglücklich aus, dass er ihr einfach helfen musste. „Warum weinst du?“, fragte er sie.

„ Da... ist diese Fledermaus, die ich so gerne habe. Aber sie will nicht mal mit mir sprechen, weil sie Angst vor mir hat. Was soll ich denn jetzt tun?“ schluchzte die Spinne.

„Du scheinst doch ganz okay zu sein. Warum kommst du nicht mit auf unsere Fledermausparty? Dann merken die Anderen bestimmt auch, dass ihr Spinnen eigentlich ganz toll seid. Vielleicht kannst du dann ja auch mit deiner Fledermaus zusammen sein.“

So kam es also, dass an diesem Tag, zum ersten Mal, eine Spinne und eine Fledermaus zusammen gesehen wurden.

Die Fledermäuse sahen alle sehr verwundert aus, als Fritz mit der Spinne zurück auf der Party erschien. Er flog an das Mikrofon, sah sich unsicher im Raum und begann dann zu sprechen.

„Leute, ich möchte euch etwas sagen. Lange Zeit haben wir uns vor den Spinnen gefürchtet, dachten sie wären böse. Heute Abend jedoch wurde ich eines Besseren belehrt. Darf ich euch vielleicht meine Freundin Paula vorstellen?“

Fritz ging mit Paula zu jeder einzelnen Fledermaus, um sich mit ihr zu unterhalten. Nach und nach erschienen auch andere Spinnen auf der Party. Alle hatten viel mehr Spaß als vorher, das hätten sie sich früher nie vorstellen können.

Aber manchmal sind die Dinge, vor denen wir Angst haben, auch einfach nur die Dinge, die uns faszinieren.  Von diesem Tag an hatten Spinnen und Fledermäuse keine Angst mehr voreinander und die kleine Spinne, der Fritz geholfen hatte, konnte nun auch mit ihrer Fledermaus zusammen sein.
------------------------------------------------------------------------------------------------------


Nur ein Wort

Du sitzt auf dem Geländer, siehst hinauf in den Himmel, während die Sterne funkeln. Du hast nie daran gedacht, dass alles einmal vorbei sein würde. Aber jeden Tag zur Schule zu gehen, um zu lernen, erschien dir so natürlich wie Atmen. Du bist dir nicht sicher, wie es jetzt weitergehen wird.

Er wird nicht in diesem Land bleiben, das hat er dir bereits mitgeteilt und der Gedanke daran schmerzt mehr, als du in Worte fassen kannst. Er geht leise auf dich zu, setzt sich neben dich und legte die Arme um dich. Es ist still in dieser Nacht, nahezu zu still. Du wünschst dir, von irgendwoher würde ein Geräusch kommen.

Du willst ihm in die Augen sehen, sicher sein, dass er noch da ist, wo er dies doch so bald nicht mehr sein wird. Doch die Dunkelheit ist zu stark, du kannst sein Gesicht kaum erkennen. Du lehnst dich an ihn, und nur dies, gibt dir das Gefühl frei zu sein und nicht zu ersticken.

„Warum musst du gehen?“, fragst du.  Doch er schweigt. Wie immer schweigt er. Du schließt deine Augen, versuchst nicht an Morgen zu denken und daran, was dann geschehen wird. Nichts lieber willst du, als jetzt bei ihm zu sein. Die Zeit vergeht, doch du siehst nicht ein einziges Mal auf deine Uhr. Du willst nicht wissen, wie wenig Zeit euch noch bleibt. Du wünschst dir, du könntest mit ihm kommen.

Er streicht sanft durch deine Haare, wie immer scheint er vollkommen ruhig und gelassen zu sein. Es gibt keine Situation, mit der er nicht klarkommt, so scheint es dir manchmal. Doch er fürchtet, dass du daran zerbrechen wirst. Du weißt, dass er dich nicht verlässt, weil er dich nicht liebt, immerhin seit ihr sogar verlobt. Aber er will seinen Traum leben, und du verstehst das. Und du wirst den Deinen leben, nur ohne ihn. Auch wenn du nicht sicher bist, ob dies ohne ihn ein Traum sein wird.

„Ich werde dich vermissen, weißt du?“, sagst du leise in die Dunkelheit. Er schweigt weiterhin, streicht nur immer wieder beruhigend über dein Haar. Fast beneidest du ihn darum, dass er weiß, was er will. Du weißt noch immer nicht, was du tun wirst. Du hast so viele Träume gehabt, aber ohne ihn, klingt keiner davon mehr so toll, wie vorher. Er nimmt deine Hand, eine Aufforderung wieder mit ihm hinein zugehen. Du bist dir nicht sicher, ob du jetzt wirklich wieder tanzen und mit deinen ganzen Freunden herumalbern willst.

Er sieht dich fragend an, er will wissen, ob es dir gut geht. Du nickst leicht, und ihr betretet zusammen wieder die Veranstaltung. Er lächelt dich an und nickt zur Tanzfläche. Du lächelst, nimmst seine Hand und lässt dich von ihm führen. Das letzte Mal an diesem Abend. Vielleicht auch das letzte Mal in deinem ganzem Leben.

Er hat dir nicht mitgeteilt, ob er zurückkommen wird, wenn sein Traum scheitern solle. Er will dir vermutlich keine großen Hoffnungen machen. Und irgendwie bist du ihm dafür dankbar. Er bringt dich nach Hause, das letzte Mal. Du streichst durch seine Haare, als ihr vor deiner Tür steht.

„Ich will nicht, dass du gehst.“, sagst du und er scheint kurz davor zu sein nachzugeben und mit dir hineinzugehen. Doch dann schüttelt er der Kopf, gibt dir zu verstehen, dass er dies nicht tun kann.

Du stellst dich leicht auf die Zehenspitzen, um ihn ein letztes Mal zu küssen. Er weint wohl, denn seine Lippen schmecken nach Salz. Du versuchst, deine Tränen zurückzuhalten, doch du kommst nicht dagegen an.
Du siehst ihn traurig an, als du sagst: „Ich wünschte, du würdest hier bleiben. Ich wünschte, es wäre anders. Und ich wünschte du könntest mir Tschüß sagen, nur ein einziges Mal.“ Du siehst den Schmerz in seinen Augen und wünschst dir fast, du hättest dies nie gesagt. Es ist nicht seine Schuld, dass er nicht sprechen kann. Doch jetzt wünschst du dir, dass er nur ein einziges Mal dieses kleine Wort zu dir sagen könnte.

Er holt den kleinen Block aus seinem Rucksack, den er immer bei sich trägt. Er schreibt darauf nur ein Wort. „Tschüß“ steht auf dem Zettel, den er dir gibt. Nur ein Wort. Aber es bedeutet mehr, als die tausend Worte, die er nie zu dir sagen konnte.

Du weinst immer mehr und siehst grade noch, dass es ihm genauso ergeht, ehe er dich noch ein letztes Mal küsst und sich umdreht. Er geht davon, fort aus deinem Leben. „Tschüß“, sagst du in die Dunkelheit, doch er ist bereits fort, zu weit weg um dich noch zu hören. Es wird Zeit, dass du deine eigenen Träume lebst, so wie er nun den Seinen lebt. Du wirst auch ohne ihn leben können, wenn auch nur deshalb, weil dieses letzte Wort, beinahe nach einem Versprechen klang. Aber auch nur beinahe.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen